Weder noch

Es war einmal ein Kind, nur wenige Tage nach dem Heiland geboren. Mir geboren.
Aber halt, das ist kein Märchen und wird keines sein!

Das Kind, die friedliche Zeit missachtend, mit der Faust voran in die Welt geraten, hat sich den Kampf auf die Fahne geschrieben, die es fortan bei sich trägt: Hellblau, Rosa, Weiss, Rosa, Hellblau, sind die Farben.
Wie der Himmel, sagt es an manchen Tagen. An guten Tagen, an denen es den frühen Morgen sieht. An schlechten will es nicht mehr. Will die Welt nicht und sich nicht verquer darin.

Trans! schreit das Kind, das über Nacht keines mehr ist. Warum du? frage ich nicht. Wie schwer du es hast, sage ich, damit bin ich nicht einverstanden! sage ich. So leise, dass meine Tochter mich kaum hören kann. Du hast mich im falschen Körper geboren! verzweifelt das Kind unter neuem Namen.
Kann nicht auch darin etwas Richtiges liegen? versuche ich es. Vergebens natürlich, denn nichts ist natürlich. Vor allem das nicht.

Mein Kind will den Kampf. Und es will ihn nicht allein für sich. Die Fahne ist sein Kreuz, und ich glaube immer noch wir schultern es gemeinsam. Der Weg so steinig, als wäre er ansonsten nicht gangbar. Würde ich es bemerkt haben, wäre es einfach? Käme das Heranwachsen ohne meine Bemerkung aus? Ident mit sich selbst zu werden, denke ich, all die Trugbilder, denke ich, die es abzuschütteln gilt. Haben wir das nicht alle durchlebt? Das nur nicht sagen. Was weisst du schon! bekäme ich zu hören.
Ja, was weiss ich schon? Ich, als Frau nicht nur unter anderem. Ich, um nichts weniger als. Aber eine Frau. Daher um nichts weniger mein Leib. So bin ich, und du die Frucht, die du nie gewesen sein willst. Nicht aus mir. Nicht so. Du warst immer schon und nie. So erzählst du es. Und nichts dazwischen.

Was weiss ich schon vom Körper ausser mir. Dem Körper, der ein umkämpftes Gebiet ist, wie nichts sonst. Der Körper. Und doch nur ganz äusserlich. Das Ringen ums Sosein. Und doch? Sind wir denn wirklich so verhaftet? Ich frage dich. Und du sagst nichts. Das nicht. Das sagst du nicht.

Es wäre mir ehrlich lieber, wir könnten ein Spiel daraus machen. Eine Performanz, du weisst schon, weisst du noch? Ein Weder noch, das ich so liebe.

Weder noch ist ein absichtsvoll vages Taumeln zwischen den Geschlechtern. Eines, das die Grenzen niederzureissen vermag, weil es nicht nur zwei ist. Eines, das die Grenzen verlacht, dort wo sie schmerzhaft ins Fleisch schneiden, in unseres nicht zuletzt. Auf dass wir solange lachen, bis sie das nicht mehr tun, nicht an uns.
Ich darf doch noch uns sagen, oder?
Komm doch, wir könnten die Grenzen barfüßig verwischen, den Sand zwischen unseren Zehen und das Meer voraus. Und du und ich.
Ja, du! schreist du, Das willst du, du willst das, nicht ich!

Du aber, so legst du dich fest, du magst partout kein Weder noch, sondern ein ganz bestimmtes Ich. Eines, in dem die vermeintlich naturgegebenen Unterschiede, eben die, Brennen in meinen Augen, deutlich hervorstechen. Wie mit einem scharfen Pinsel überzeichnet.
Nicht wie die Grenzen des Universums, das uns zum Rand hin wohlig verschwimmt. Mehr wie ein bemanntes Raumschiff, scharf konturiert, das allein der Eroberung dient. Das uns anrichten lässt, was wir am Horizont noch kaum erkennen.
Das alles beanspruchst du. Für dich. Gegen mich. Stellst einen Satz und seinen Gegensatz breitbeinig in den Raum, als die einzig verbliebene Sicherheit, die ich dir nicht geben kann.
Sicherlich habe ich dich keine Bescheidenheit gelehrt. So sind wir doch alle befangen.

Das ist kein Märchen und wird keines sein. So wenig, oder so sehr mir das gefallen mag, verfügst du, dass all die Verfassung, die wir dem Leib zuschreiben, wahrlich märchenhafte Ausmasse annimmt. Als wären wir es nicht selbst. Nichts von dem, was wir sind.
Ich habe es dir wohl nicht gut vorgelebt. Wie kann ich dir das verdenken? Wie soll ich es mir verdenken?

Hab keine Angst! will ich sagen, und sage es dabei mir selbst: Ich gebe dich unter keinen Umständen auf! Mögen meine Zurufe auch noch so unbeholfen wirken, so sind sie es doch.
Komm, wir spielen verkleiden!
Lass mich!

Ist das weder noch?

Ganz innen stimmt etwas nicht mit sich überein. Vielleicht ich, vielleicht du, sicherlich.
Ganz innen suchen wir alle. Frieden wäre, einander darüber zu finden.

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Wäre ich der Junge